Eine Welt, in der die Oma nicht mehr lebt: So sehr sie absehbar war, so sehr ich ihr die Ruhe und den Frieden gönne, zumal sie sich schon so lang danach gesehnt hat – so wenig macht sie für mich Sinn. Und doch muss ich lernen, dies zu begreifen.
Wie wenig mir dies gelingt, wie wenig dies in mein Unterbewusstsein vorgedrungen ist, zeigt ein Traum, den ich erst gestern geträumt habe. Darin tauchte die Oma wider Erwarten auf einmal auf, völlig selbstverständlich stand sie auf einmal im Raum. Sie sah gezeichnet aus, wie nach einer schweren Grippe. „Oh, geht´s Dir jetzt besser?“, erinnere ich mich sie lapidar fragen, so fassungslos ich war, dass sie nun einfach wieder da war. „Ja“, antwortet sie und setzte sich an den Tisch, um ein Joghurt zu essen.
Wer mit mir im Raum war, weiß ich nicht mehr. Ich weiß nur noch, wie verwirrt wir alle waren. Und wie sehr ich mich freute, dass sie doch nicht tot ist. Dass die im Heim einen Fehler gemacht haben. Dass sie einfach nicht genau genug hingesehen und dabei übersehen haben, dass sie eigentlich nur krank war, aber nicht sterbenskrank. Dass es ihr nun wieder besser geht. Dass ich sie nun wieder umarmen kann.
Ich erinnere mich, dass ich mich fragte, was nun passieren würde, wie das nun gerade gerückt werden könnte. Vor allem aber erinnere ich mich daran, wie sehr ich mich freute – und dass ich Omas Hände in meine eigenen nahm, dass die Oma meine in ihre nahm, und wir unsere Hände ganz fest drückten.
Doch dann war sie auf einmal weg. Leider, es war doch nur ein Traum. Und so sitze ich wieder da, blicke sie an, blicke das Foto an, auf dem sie so wissend und wohlwollend in die Kamera blickt. Doch ihr Ohrensessel ist leer. In ihr Bett werde ich demnächst schlüpfen und eine weitere Nacht allein in jenem Zimmer verbringen, in dem wir beide gemeinsam so lange gemeinsam geschlafen haben.
Das Doppelbett, in dem ich so viele Nächte bei ihr „ghuckt“ bin, in dem sie mir so oft „Zuckawosa“ zu trinken gegeben hat, weil ich wieder einmal nicht schlafen konnte. Das Zimmer, in dem ich von so vielen Fotos auf sie herabgelächelt habe – und die ich durch Fotos von ihr ausgetauscht habe, von denen sie nun mich anlächelt. Wie traurig, dass Fotos uns beide über die Trennung von der anderen weiter hinweg helfen müssen. Wie traurig, dass ihre Fotos keine Hoffnung mehr auf ein baldiges Wiedersehen mehr in sich tragen. Wie schön aber, dass sie mich ihr weiterhin so nah fühlen lassen, auch wenn ich nur noch davon träumen kann, sie in Armen zu halten. (Aufgeschrieben am 6.7.2016)
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